Caren Jeß
Eleonore ist eine Frau. Bis sie eines Tages merkt, dass sie eigentlich eine Katze ist. Weil sie finanziell unabhängig ist, steht ihrer Umwandlung eigentlich nichts im Weg. Sie lässt sich einen Katzenfellanzug nähen, entmenschlicht sukzessive ihr Ess-, Schlaf- und Sozialverhalten. In Kopfgesprächen mit Dr. Wildbruch, einem Therapeuten, auf den ihr katzenhaftes Verhalten große Faszination ausübt, zeigt sich deutlich, dass auch Eleonores Denken zunehmend dem einer Katze gleicht. Ihre Distanzierung von menschlichen Wahrnehmungsformen, die es mit denen einer Katze bei Weitem nicht aufnehmen können, ist so nachvollziehbar beschrieben, dass die Transformation ihres Lebens weitaus mehr als nachvollziehbar klingt. Man könnte sogar sagen, verlockend.
Gleichzeitig bewegt Eleonore sich im Spannungsfeld der Unmöglichkeit, als Mensch tatsächlich eine Katze sein zu können. Die Biologie ist bei aller Anpassung nicht zu
überlisten. Trotzdem passt sie sich so weit wie möglich an. Schlussendlich besteht ihr Leben nunmehr aus der Jagd nach Mäusen im Garten und Schlaf, der Reduktion auf Trieb und Instinkt. Wie sich die Sinne dabei erweitern und Gesellschaft absolut nebensächlich wird, davon erzählt das Stück mit einer Sprache, die in ihrer filigran poetischen Genauigkeit dem Wesen einer Katze sehr nahe kommt – bei aller Ambivalenz. Denn der Rückzug des Menschen in die absolute Privatheit stellt auch die drängende Frage nach der Verantwortung, die wir im Einzelnen als Teil einer funktionierenden Gesellschaft tragen müssen.
Wie die wundersame Verwandlung ihren Blick auf sich selbst und ihre Umwelt verändert, davon erzählt witzig und spannend zwischen Fiktion und Wirklichkeit das Stück „Die Katze Eleonore“ von Caren Jeß.
Dresdner Morgenpost